Interview mit Quirien Lemey, Senior Portfolio Manager
O2 & Ecology ist eines der sieben Hauptthemen des DECALIA’s Sustainable strategy, die unsere Gesellschaft von morgen prägen werden. Der Bereich Siliziumkarbid bietet ein enormes Potenzial. Folgendes sollten Sie darüber wissen:
- Leistungschips aus Siliziumkarbid sind leistungsfähiger, widerstandsärmer und energieeffizienter als einfache Siliziumchips
- In Elektrofahrzeugen ermöglichen sie daher eine grössere Reichweite mit derselben Batterie – bei einem deutlich geringeren Gesamtgewicht
- Die Herstellung von Siliziumkarbid ist relativ einfach; schwieriger ist dagegen das Schneiden der Blöcke, die die Öfen in einem sehr spröden Zustand verlassen
- Neben dem rasch wachsenden Segment der Elektrofahrzeuge bestehen für Siliziumkarbid auch enorme Wachstumschancen bei anderen Technologien für erneuerbare Energien (insbesondere bei Solarpanels und Windkraftanlagen), ganz zu schweigen vom riesigen Markt für Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen
Norwegen ist es vor Kurzem als erstem Land gelungen, den Anteil der Elektroautos an den landesweit betriebenen Fahrzeugen auf 20% zu steigern, und bei den Neuzulassungen erreichen Elektrofahrzeuge einen noch beeindruckenderen Anteil von 80%.
Die Automobilindustrie wechselt derzeit massiv zu emissionsfreien Modellen, und im Segment der Leistungshalbleiter dürfte der Einsatz von Siliziumkarbid-Chips schnell wachsen, da ihre höhere Energieeffizienz grössere Reichweiten ermöglicht.
Die Vorteile dieser Chips sind unbestreitbar, die Herausforderung besteht jedoch darin, eine ausreichende Versorgung sicherzustellen.
Herr Lemey, könnten Sie uns zunächst erklären, wie Leistungschips funktionieren und in welchen Geräten sie eingesetzt werden?
Am Gesamtmarkt für Halbleiter haben Leistungschips einen relativ geringen Anteil von rund 10%, doch für alle Systeme, die Strom enthalten oder liefern, sind sie von entscheidender Bedeutung. Im Gegensatz zu digitalen Chips, die Einsen und Nullen ausgeben, liefern Leistungschips elektrischen Strom. Zudem dienen sie dazu, beim Stromfluss zwischen Gleichstrom (DC) und Wechselstrom (AC) umzuschalten.
Eine anschauliche Analogie bietet eine Talsperre: Leistungschips sind mit der Staumauer vergleichbar, die abwechselnd geöffnet und geschlossen wird – je nachdem, wann und in welchem Umfang das Wasser fliessen muss. Sie werden daher in einem sehr breiten Spektrum von Geräten eingesetzt, das von Systemen mit geringem Stromverbrauch wie Kopfhörerverstärkern bis hin zu Hochspannungsleitungen reicht.
Was unterscheidet Leistungschips aus Siliziumkarbid von einfachen Siliziumchips?
Das Silicon Valley verdankt seinen Namen der umfassenden Verwendung von Silizium in der Halbleiterbranche. Derzeit wird der bei Weitem grösste Teil der Chips aus Silizium hergestellt. Gegenüber einfachem Silizium bietet Siliziumkarbid, insbesondere bei Leistungschips, drei Vorteile: eine grössere Leistungsfähigkeit, einen geringeren Widerstand und eine höhere Energieeffizienz.
Um auf die Analogie einer Talsperre zurückzukommen: Leistungschips aus Siliziumkarbid können die Staumauer viel schneller (d. h. mit einer höheren Taktfrequenz) öffnen und schliessen. Dadurch lässt sich der Stromfluss besser steuern, und Verluste werden begrenzt.
Bei einem Einsatz in Elektrofahrzeugen wirkt sich diese grössere Energieeffizienz unmittelbar auf die mögliche Reichweite aus, die sich bei Verwendung derselben Batterie um 5% erhöht.
Siliziumkarbid-Chips bieten aber noch weitere Vorteile, insbesondere die Verringerung des Gesamtgewichts von Fahrzeugen (bei gleicher Spannung wird im Vergleich zu einem einfachen Siliziumchip ein viel kleinerer Siliziumkarbid-Chip benötigt, sodass der Aufwand für die Kühlung und Verdrahtung sinkt und weniger passive Komponenten erforderlich sind).
Wie lässt sich das plötzliche Aufkommen von Siliziumkarbid erklären?
Das Potenzial von Siliziumkarbid ist Wissenschaftlern bereits seit einem halben Jahrhundert bekannt. Doch wie sich wiederholt gezeigt hat, verbreitet sich eine innovative Technologie nicht von heute auf morgen. Die Zeit dafür muss reif sein, und für Siliziumkarbid scheint jetzt der richtige Moment gekommen zu sein.
Die Übernahme von Siliziumkarbid in das Model 3 von Tesla im Jahr 2017 leitete den Übergang ein. Doch der Wandel auf breiter Front erfolgte in der Branche 2020, als das Tesla Model S gegen den Porsche Taycan antrat. Das Model S, bei dem Elon Musk auf Siliziumkarbid-Leistungschips setzte, machte seinen Konkurrenten geradezu lächerlich: Der Taycan war doppelt so teuer, benötigte das Zweifache an Spannung und bot eine geringere Reichweite. Das hat natürlich alle anderen Autohersteller veranlasst, dem Beispiel von Tesla zu folgen.
Doch sicherlich weist Siliziumkarbid auch Schwächen auf: Gibt es Probleme bei den Kosten, der Rohstoffbeschaffung oder der Herstellung?
Die höhere Energieeffizienz von Siliziumkarbid habe ich vorhin schon angesprochen: Dieser Aspekt ist am wichtigsten und macht die langfristigen Aussichten dieser Technologie so positiv. Doch Sie haben recht: Vor einer umfassenden Verbreitung sind noch einige Hürden zu nehmen.
Siliziumkarbid-Leistungschips sind tatsächlich (zumindest derzeit) deutlich teurer als einfache Siliziumchips – obwohl dies für sich genommen nicht unbedingt ein Problem ist.
Denn was zählt, sind die Gesamtkosten des Fahrzeugaufbaus. Anders ausgedrückt: Im Falle eines Elektrofahrzeugs können die Einsparungen durch das wesentlich geringere Gesamtgewicht, das die Umstellung von Silizium auf Siliziumkarbid ermöglicht, die zusätzlichen Kosten für die Chips selbst durchaus kompensieren.
Auch die Rohstoffe sind kein wirkliches Problem. Siliziumkarbid ist, wie der Name schon sagt, eine Kombination aus Silizium und Kohlenstoff. Auf der Erde ist dieser Stoff (anders als im Weltraum) in seiner natürlichen Form nur selten zu finden. Doch seine synthetische Herstellung ist ein relativ einfacher, wenn auch langer Prozess: In Hochtemperaturöfen wird Quarzsand mit Kohlenstoff verbunden.
Schwieriger ist es dagegen, die Blöcke aus Siliziumkarbid, die aus den Öfen kommen, in Waver zu zerschneiden, auf denen dann die Leistungschips aufgebaut werden. Dieser Prozessschritt stellt derzeit das wesentliche Hindernis für den Masseneinsatz dar.
Siliziumkarbid ist erheblich härter und spröder als Silizium. Daher lässt es sich viel schwerer schneiden, und ein deutlich grösserer Teil der Blöcke wird verschwendet (nach einigen Schätzungen 40%).
Branchenexperten sprechen bei Leistungschips auch Galliumnitrid ein grosses Potenzial zu. Sollte dieses Material als Ergänzung oder als Konkurrent für Siliziumkarbid betrachtet werden?
Leistungschips aus Galliumnitrid spielen eine Rolle, seit sie ein chinesisches Unternehmen erstmals für Telefonladegeräte verwendete. Sie sind inzwischen zunehmend in Laptops zu finden und könnten bei einigen Geräten schliesslich auch in Konkurrenz zu Siliziumkarbid treten.
Dabei muss jedoch angemerkt werden, dass Galliumnitrid-Chips aufgrund ihres horizontalen Aufbaus nur für Geräte mit begrenzter Leistungsfähigkeit geeignet sind. Je leistungsfähiger ein Gerät ist, umso grössere Chips benötigt es. Siliziumkarbid-Chips, die vertikal aufgebaut sind, weisen keine solchen Einschränkungen auf, sodass ihre Aussichten unserer Einschätzung nach noch besser sind.
Um dies in Zahlen auszudrücken: Siliziumkarbid hat derzeit am Markt für Leistungschips einen Anteil von 6–7%, auf Galliumnitrid entfällt rund 1% (gemessen am Wert, nicht am Volumen).
Wir erwarten, dass diese Marktanteile in den nächsten fünf Jahren auf mindestens 20% bzw. 5% steigen werden, und angesichts der hohen Investitionsausgaben von Wolfspeed (dem einzigen ganz auf Siliziumkarbid spezialisierten Anbieter) und anderen Branchenakteuren, ist diese Schätzung möglicherweise sogar zu konservativ.
Apropos Unternehmen in diesem Bereich: Könnten Sie die Wertschöpfungskette eines Elektrofahrzeugs etwas näher erläutern?
Als Anleger empfehlen wir, den Fokus auf jene Segmente der Lieferkette für Elektrofahrzeuge (siehe Abbildung oben) zu richten, die für die grösste Wertschöpfung sorgen und solide Geschäftsmodelle aufweisen.
Uns gefällt beispielsweise der Bereich der Leistungshalbleitermit Unternehmen wie ON Semi, die aus unserer Sicht über relativ hohe Eintrittsbarrieren, langfristige Verträge und einen enormen Rückenwind durch die Umstellung auf Elektrofahrzeuge verfügen.
Die Verbindungstechnik, die von Unternehmen wie Aptiv angeboten wird, ist ein weiterer attraktiver Teil der Wertschöpfungskette und dürfte von der Elektrifizierung des Fahrzeugparks profitieren.
Unser Gespräch über das Potenzial von Siliziumkarbid hat sich bisher vor allem um Elektrofahrzeuge gedreht. Welche anderen Anwendungen sind möglicherweise lukrativ?
Wie zu Beginn dieses Interviews erwähnt, werden Leistungschips in einer Vielzahl von Geräten eingesetzt. Abgesehen von Elektrofahrzeugen sehen wir ein enormes Potenzial für Siliziumkarbid bei anderen Technologien für erneuerbare Energien, insbesondere bei Solarpanels und Windkraftanlagen. Zu nennen ist auch die HLK-Technik (Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen), ein Markt, der gemessen am Volumen wahrscheinlich 50 Mal so gross ist wie der Automobilmarkt.
Könnten Sie zum Abschluss unseres Gesprächs auf die technologische Rivalität zwischen den USA und China eingehen? Wo stehen die beiden Grossmächte in puncto Siliziumkarbid?
Die strategischen Spannungen zwischen den USA und China haben sich bisher auf den Zugang zu Technologien für den Bau von hochwertigen Prozessoren (CPUs) und Grafikprozessoren (GPUs) konzentriert – dies ist ein völlig anderer Bereich als Leistungschips.
Die US-Regierung will amerikanische Unternehmen daran hindern, solche hochmodernen Chips – oder die Maschinen zu ihrer Herstellung – an chinesische Unternehmen zu verkaufen, da sie für künstliche Intelligenz und militärische Anwendungen verwendet werden können. China hingegen möchte seinen technologischen Rückstand gegenüber dem Westen aufholen. Die Tatsache, dass die meisten Chips der Spitzenklasse derzeit in Taiwan hergestellt werden und TSMC in den letzten Jahren klar an Intel vorbeigezogen ist, verstärkt die Spannungen noch.
Siliziumkarbid spielt in diesem Streit zwar keine Rolle, könnte jedoch irgendwann in den Fokus der Rivalität zwischen den USA und China geraten. Beide Länder investieren erhebliche Summen in diesen Bereich, da sie die nächste Herausforderung – die intelligente Elektrifizierung – nicht verpassen wollen.
Über die Strategie DECALIA Sustainable
- ein themenübergreifender, globaler Aktienfonds, der in innovative Sektoren und bahnbrechende Unternehmen investiert, die die Zukunft der GESELLSCHAFT gestalten
- investiert in die 7 Themen (Security, O2 & Ecology, Cloud & Digitalisation, Industrial 5.0, Elder & Well being, Tech Med, Young Generation), die unter dem Akronym SOCIETY zusammengefasst sind
- geleitet von einem erfahrenen Team: Alexander Roose (Ex-CIO des Fundamental Equity von Degroof Petercam AM) & Quirien Lemey (Ex-Lead PM eines multithematischen Fonds bei Degroof Petercam AM)