Interview mit Andrea Biscia, Aktienanalyst, ESG-Analyst
O2 & Ökologie ist eines der sieben Hauptthemen des Strategie DECALIA Sustainable, der unsere Gesellschaft von morgen prägen wird.
Der Bereich Wärmedämmung bietet ein enormes Potenzial. Folgendes sollten Sie darüber wissen:
- Bessere Wärmedämmung kann die Energieeffizienz erhöhen
- Vor- und Nachteile der verschiedenen Materialien, die zur Wärmedämmung von Gebäuden verwendet werden
- Endmärkte und ihre jeweilige Widerstandsfähigkeit gegenüber einem Konjunkturabschwung
- Die wichtigsten Unternehmen auf dem Markt für Dämmstoffe und Bedachung
- Investitionsmöglichkeiten (und Stresstest für das Worst-Case-Szenario)
Da Europa an der Energiefront ein harter Winter bevorsteht, liegt das unmittelbare Augenmerk der politischen Entscheidungsträger natürlich auf der Sicherstellung eines ausreichenden Zugangs zu Energiequellen, um Stromausfälle zu vermeiden – und auf der Begrenzung der inflationären Auswirkungen auf die Verbraucher. Auf längere Sicht müssen sie jedoch anstreben, den Energieverbrauch in allen Bereichen der Wirtschaft zu senken. In diesem Zusammenhang kommt einer effizienteren Wärmedämmung sicherlich eine wichtige Rolle zu, zumal mehr als drei Viertel der Gebäude in Europa (ca. 1 Million Häuser allein in der Schweiz) und 90 % in den USA derzeit als unzureichend isoliert gelten.
Andrea, könnten Sie zunächst einen kurzen Überblick über die Wertschöpfungskette im Bauwesen geben?
Im Prinzip ist die Wertschöpfungskette im Bauwesen recht einfach. Sie beginnt mit der Gewinnung von fossilen oder mineralischen Rohstoffen. Diese werden dann zu den Herstellern transportiert, die sie in Bauprodukte umwandeln, die entweder direkt an Bauunternehmen oder über Händler verkauft werden – wobei die Endmärkte in Wohn-/Nichtwohngebäude und Neubauten/Renovierungen unterteilt sind.
Wird der Bausektor nicht durch die Inflation, die die Verbraucherausgaben belastet, die steigenden Hypothekenzinsen und das verlangsamte BIP-Wachstum in Mitleidenschaft gezogen?
Der Bausektor ist eindeutig von der Wirtschaftslage abhängig, wie die Tatsache beweist, dass die Verkäufe neuer Häuser in den USA im letzten Monat rückläufig wurden. Allerdings dürften sich bestimmte Marktsegmente bei einem wirtschaftlichen Abschwung als widerstandsfähiger erweisen. Insbesondere erwarten wir, dass die US-Bauwirtschaft besser abschneiden wird als die europäische. Die Neubautätigkeit in Europa ist nicht nur bereits seit mehreren Jahren rückläufig, sondern die starke Abhängigkeit des alten Kontinents von russischem Gas macht auch den Konjunkturausblick deutlich schwieriger.
Ausserdem ziehen wir wegen der verschiedenen staatlichen Unterstützungsmassnahmen und wegen des Trends zum Mehrfamilienhausbau im Wohnungsbau den Nicht-Wohnungsbau dem Wohnungsbau vor, der in Bezug auf die beauftragten Unternehmen eher mit dem Bau von Gewerbeobjekten vergleichbar ist.
Schliesslich halten Renovierungsarbeiten in einem von steigender Inflation und Hypothekenzinsen geprägten Umfeld in der Regel besser stand als Neubauten. Ein Neubauprojekt kann beispielsweise aufgeschoben werden, nicht aber die Reparatur eines undichten Daches.
Wie gross ist das Potenzial für die Steigerung der Energieeffizienz durch bessere Wärmedämmung bei der Renovierung eines Gebäudes?
Man kann dieses Potenzial durchaus als enorm bezeichnen, daher konzentrieren wir uns auf das Segment der Wertschöpfungskette im Bauwesen. Die französische Agentur für Umwelt und Energiemanagement ADEME schätzt, dass bei einem ungedämmten Haus aus der Zeit vor 1974 die Hälfte der Wärmeverluste über Wände und Dach erfolgt. Eine Studie der britischen Regierung beziffert die jährliche Verbesserung der Energieeffizienz durch Wärmedämmung (für ein Standardhaus mit 3 Schlafzimmern der Kategorie F) auf knapp 700 GBP, was deutlich über dem liegt, was durch den Austausch des Heizkessels (300 GBP) oder den Einbau von Thermostaten, doppelt verglaste Fenster und energiesparende Beleuchtung (jeweils höchstens 100 GBP) erreicht werden kann.
Wärmedämmung und Bedachung sind sogenannte „leichte“ Bauprodukte. Gibt es nicht auch im Segment der schwereren Bauprodukte Möglichkeiten zur Dekarbonisierung?
Da bisher keine brauchbaren umweltfreundlicheren Alternativen zu Beton und Zement existieren, sind die im Bereich der schweren Bauprodukte tätigen Unternehmen in hohem Masse umweltschädlich und leiden darüber hinaus unter den derzeit hohen Kosten für Energie (die sie intensiv nutzen), Kohlenstoffsteuern und CO2-Zertifikaten. Unserer Ansicht nach ist das kein attraktives Angebot.
Wie schnell könnte der Markt für Dämmstoffe in den nächsten zehn Jahren wachsen?
Es wird erwartet, dass der Markt für Dämmstoffe bis 2030 eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 4,5 % an den Tag legt, die in den USA sogar noch grösser sein dürfte (ca. 6 %). Die derzeitige Energiekrise könnte in Verbindung mit politischer Unterstützung in den nächsten zehn Jahren ein Wachstum im hohen einstelligen Bereich fördern. Innovative Unternehmen, die auf den richtigen Endmärkten tätig sind, könnten natürlich deutlich besser abschneiden.
Könnten Sie die verschiedenen Arten von Materialien beschreiben, die bei der Wanddämmung – die die Hälfte des gesamten Wärmedämmungsmarktes für Gebäude ausmacht – verwendet werden können?
Abgesehen von pflanzlichen und tierischen „Lösungen“, die vielleicht irgendwann in der Zukunft eine Rolle spielen werden, derzeit aber noch marginal bleiben, werden zwei Arten von Materialien zur Dämmung von Gebäuden verwendet: Schaumstoff und Mineralwolle. Schaumstoff basiert auf Erdölderivaten (z. B. expandiertes Polystyrol (EPS) oder extrudiertes Polystyrol (XPS)), während Mineralwolle auf Gestein basiert (Steinwolle wird durch Schmelzen von Basaltgestein und Koks hergestellt, Glaswolle durch Schmelzen von Sand, Sodaasche und Kalkstein).
Sie bezeichnen Schaumstoff derzeit eindeutig als das interessanteste dieser Materialien – warum?
Wie im Folgenden dargelegt, bietet Schaumstoff die beste Wärmeleistung, vor allem in Bezug auf Leitfähigkeit und Widerstand. Ausserdem ist er weniger kapitalintensiv, dünner zu verlegen und aus Sicht des Käufers billiger – auch wenn der letzte Punkt angesichts des Anstiegs des Ölpreises im vergangenen Jahr etwas kontraintuitiv klingen mag. Die Preise für mineralische Rohstoffe sind jedoch im Vergleich viel stärker gestiegen. Petrolkoks hat sich beispielsweise gegenüber dem Vorjahr um 132 % verteuert (Durchschnittspreis Januar-Juli), gegenüber 48 % für Öl. Auch die Preisentwicklung von MDI (Methylendiphenyldiisocyanat), dem Erdölderivat, das zur Herstellung von Schaumstoffisolierungen verwendet wird, ist mit einem Anstieg von nur 14 % hinter der des Erdöls zurückgeblieben.
Wie sieht es mit der Bedachung aus, bieten sich auch in diesem Bereich attraktive Anlagegelegenheiten?
Da Widerstandsfähigkeit unser wichtigstes Kriterium bei der Auswahl von Anlagen ist, sticht die Bedachung eindeutig hervor. Renovierungen machen etwa 80 % dieses Marktes aus und sind in der Regel nicht diskretionärer Art: Wie bereits erwähnt, muss das Dach eines Gebäudes repariert werden, wenn es beschädigt ist – und zwar dringend.
Wir möchten auch darauf hinweisen, dass bis zu 40 % einer Rechnung für die Dachsanierung in der Regel auf die Dämmung entfallen, wobei einige Unternehmen sowohl in der Wanddämmung als auch in der Dacheindeckung tätig sind.
Könnten Sie uns etwas zur Wettbewerbslandschaft sagen? Wer sind die wichtigsten Akteure auf dem Dämmstoffmarkt, und in welchen Bereichen sind sie jeweils tätig?
Bei den vier grossen Unternehmen, die ausschliesslich im Bereich Dämmstoffe und Bedachung tätig sind, handelt es sich um Kingspan, Rockwool, Owens Corning und Carlisle.
Die beiden erstgenannten sind vor allem im Bereich Wärmedämmung tätig (obwohl Kingspan vor kurzem ein Bedachungsunternehmen übernommen hat), die beiden letztgenannten sowohl in den Bereichen Dämmung als auch Bedachung.
Was die Art der verkauften Dämmstoffe betrifft, so ist Rockwool – wie der Name schon sagt – im Bereich der Mineralwolle (genauer gesagt im Bereich Steinwolle) tätig, Kingspan und Carlisle im Bereich der Schaumstoffe, während Owens Corning beides herstellt.
Wie gross ist das Innovationspotenzial im Bereich der Dämmstoffe, und wer treibt die Innovation voran?
Wo es Wachstum und Marktanteile zu erobern gibt, gibt es auch Anreize zum Innovieren! Als erstes Beispiel möchten wir den Sprühschaum von Carlisle anführen. Obwohl er teurer ist und nur von professionellen Installateuren eingesetzt werden kann, wächst Sprühschaum schneller (im hohen einstelligen Bereich) als herkömmliche Dämmstoffe. Gründe für diese Überlegenheit sind unter anderem die Fähigkeit des Produkts, Lücken und Risse zu füllen, seine längere Haltbarkeit, die Tatsache, dass es hilft, Feuchtigkeit einzuschliessen, und die Möglichkeiten, die er für die Nachrüstung bestehender ungedämmter Wände bietet.
Eine weitere interessante Neuentwicklung ist die Integration von Dämmstoffen in Solarpanels. Die neue Generation des „PowerPanel“ von Kingspan kombiniert beispielsweise die hochleistungsfähige „QuadCore“-Dämmtechnologie mit einer effizienten monokristallinen Photovoltaiktechnologie, wodurch sich der Zeitaufwand und die Komplexität in Verbindung mit der Installation erheblich verringern.
Wenn ich Sie richtig verstehe, scheint Carlisle hervorzustechen, sowohl im Hinblick auf den Übergang des Unternehmens zum reinen Anbieter nachhaltiger Bauprodukte als auch auf sein anhaltendes Engagement für ESG. Spiegelt die Bewertung der Aktie diese attraktiven Merkmale nicht bereits wider?
Carlisle gehört zugegebenermassen zu den am höchsten bewerteten Aktien, aber wir sind der Meinung, dass der Produktmix des Unternehmens (Schaumstoff statt Mineralwolle), sein geografisches Engagement (80 % der Einnahmen entfallen auf die USA) und – was vielleicht am wichtigsten ist – die Endmärkte, die es bedient (zu 90 % Gewerbe) dies rechtfertigen.
Wir möchten auch darauf hinweisen, dass die Bewertung von Carlisle derzeit auf dem Niveau
von vor der Covid-Krise liegt, obwohl sich der Ausblick für den Dämmstoffmarkt seit 2019 stark verbessert hat. Die seit Jahresbeginn immer noch positive Rendite der Aktie zeugt darüber hinaus von der Widerstandsfähigkeit des Geschäftsmodells. In der Tat liegen die Aktien der Wettbewerber seit Jahresbeginn alle im negativen Bereich.
- In Europa entfallen derzeit 40 % des Energieverbrauchs auf Gebäude
- 64 % der von den europäischen Haushalten verbrauchten Energie dient zum Heizen
- 65 % der europäischen Gebäude sind mindestens 30 Jahre alt
- Die Europäische Kommission möchte die Renovierungsrate von 1 % (mindestens) verdoppeln
- Die ordnungsgemässe Isolierung eines Hauses macht sich in weniger als 90 Tagen bezahlt
Wie stark könnte der Rückgang der verschiedenen Unternehmen der Dämmstoffbranche ausfallen, wenn sich das schlimmste Konjunkturszenario bewahrheiten und in Europa eine schwere Rezession einsetzen sollte?
Wir haben eine Art „Stresstest“ unter Zugrundelegung sehr negativer Hypothesen für die verschiedenen Endmärkte der vier oben genannten Unternehmen durchgeführt. Wir gehen insbesondere von einem Rückgang des Wohnungsneubaus um 40 % aus (zum Vergleich: während der grossen Finanzkrise 2007-2008 ging er um 50 % zurück) und von einem Rückgang des Neubaus von Nichtwohngebäuden um 25 %. Für das Segment Reparatur, Instandhaltung und Verbesserung (auch Renovierung genannt), das nach Ansicht der Makler schlimmstenfalls stagnieren wird, rechnen wir mit einem Rückgang um 5 %.
All dies ergibt ein potenzielles Minus von 20 % bis 35 % für die Aktien von Dämmstoffanbietern, das sich zum Teil bereits abzeichnet. Anleger sollten daher nach Gelegenheiten Ausschau halten, sich an diesem vielversprechenden und notwendigen Bestandteil der Energiewende zu beteiligen.
Könnten Sie uns zum Abschluss dieser Diskussion über Wärmedämmung noch andere Entwicklungen in der Baubranche nennen, die dazu beitragen, die Welt umweltfreundlicher zu machen?
Bauunternehmen befassen sich zunehmend mit dem Problem des verkörperten Kohlenstoffs oder, wie es der World Green Building Council definiert, mit den „Kohlenstoffemissionen in Verbindung mit den Materialien und dem Bauprozess während des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes oder einer Infrastruktur“. Diese so genannten Scope-3-Emissionen machen den grössten Teil der Gesamtemissionen aus (z. B. 80 % bei Kingspan). In unserer nächsten Veröffentlichung der Ecology Series wird es daher um zirkuläre Geschäftsmodelle gehen, die sich mit diesem Thema befassen.
Über der Strategie DECALIA Sustainable
- ein themenübergreifender, globaler Aktienfonds, der in innovative Sektoren und bahnbrechende Unternehmen investiert, die die Zukunft der GESELLSCHAFT gestalten
- investiert in die 7 Themen (Security, O2 & Ecology, Cloud & Digitalisation, Industrial 5.0, Elder & Well being, Tech Med, Young Generation), die unter dem Akronym SOCIETY zusammengefasst sind
- geleitet von einem erfahrenen Team: Alexander Roose (Ex-CIO des Fundamental Equity von Degroof Petercam AM) & Quirien Lemey (Ex-Lead PM eines multithematischen Fonds bei Degroof Petercam AM)
Über DECALIA SA
Die 2014 gegründete DECALIA SA ist eine Schweizer Vermögensverwaltungsgesellschaft mit mehr als 70 Mitarbeitern und einem verwalteten Vermögen von 4,9 Milliarden Eur. DECALIA ist schnell gewachsen, vor allem dank des erfahrenen und aktiven Managements der Gründer, dass in den letzten 30 Jahren aufgebaut wurde.
Die von DECALIA entwickelten Strategien konzentrieren sich auf vier langfristig aussichtsreiche Anlagethemen: die Disintermediation des Bankensektors, die Suche nach Rendite, langfristige Trends und Marktineffizienzen. DECALIA wird von der FINMA reguliert. Neben dem Hauptsitz in Genf unterhält die Gruppe Niederlassungen in Zürich und Mailand, sowie Vertriebsstellen für den DECALIA SICAV in Spanien und Deutschland.